Vom 07. bis 19. Dezember 2022 fand die 15. Weltnaturkonferenz im kanadischen Montreal statt. Nach schwierigen Verhandlungen haben sich die Verhandlungsstaaten auf ein neues globales Abkommen für den Erhalt und die nachhaltige Nutzung der weltweiten Natur geeinigt.

Ein Erfolg für die Natur, wenn auch mit Lücken

Schmetterling und Hummel © Ralph Frank / WWF
Schmetterling und Hummel © Ralph Frank / WWF

30 Prozent der weltweiten Land-, Süßwasser- und Meeresökosysteme sollen bis 2030 unter Schutz gestellt werden – das war eine Forderung des WWF und wurde nun so festgeschrieben, was ein großer Erfolg für die biologische Vielfalt unseres Planeten darstellt. Besonders erfreulich ist die deutliche Einbeziehung der Rechte indigener Bevölkerungen und lokaler Gemeinschaften. Indigene spielen beim Schutz der Natur eine entscheidene Rolle. Ein Drittel der artenreichsten Gebiete der Erde befindet sich in ihren Gebieten.  

Im Rahmen des Finanzsektors hat sich der WWF dafür stark gemacht, dass private und öffentliche Investitionen die Natur erhalten und nicht zerstören. Umso positiver ist es zu bewerten, dass das neue Abkommen an der Abschaffung schädlicher staatlicher Anreize und Subventionen festhält und Investitionen von Unternehmen sowie Finanzinstitutionen in Zukunft nur noch naturfreundlich geschehen dürfen. 

Auch das Problem der Umweltverschmutzung soll zum Beispiel durch eine Halbierung des Einsatzes von Pestiziden noch energischer angegangen werden. Insbesondere Umweltministerin Steffi Lemke von den Grünen hatte sich für dieses Ziel eingesetzt.

Weiterhin Schwächen bei der Umsetzung und Finanzierung

Blick auf den Fluss Caqueta im Amazonas © César David Martinez
Blick auf den Fluss Caqueta im Amazonas © César David Martinez

Um die biologische Vielfalt angemessen schützen und die vereinbarten Maßnahmen auch auf der ganzen Welt umsetzen zu können, werden auch zukünftig jährlich in etwa 700 Millionen US-Dollar fehlen. Das vereinbarte Finanzierungsziel in Höhe von 30 Milliarden US-Dollar jährlich für Entwicklungsländer ist zwar ein guter Anfang, aber bei weitem nicht ausreichend. Insbesondere die Länder im globalen Süden, wo auch ein Großteil der noch verbleibenden biologischen Vielfalt liegt, benötigen noch mehr Unterstützung. 

Eine weitere Schwachstelle des neuen Abkommens sind die Vereinbarungen zur nachhaltigen Nutzung von Ökosystemen, die sich außerhalb von Schutzgebieten befinden. Nötig wäre es, alle noch intakten Ökosysteme zu erhalten und nicht nur die innerhalb von Schutzgebieten. Außerdem wurde es verpasst eine Priorisierung der Gebiete vorzunehmen, die einen besonderen Wert für die biologische Vielfalt unseres Planeten haben sowie die Treiber des Artensterbens konkret zu adressieren. Hierzu zählt das Ziel, den weltweiten ökologischen Fußabdruck bis 2030 mindestens zu halbieren.

Im nächsten Schritt ist es nun entscheidend, dass die Regierungen ausreichend politischen Willen zeigen, um die verbleibenden Lücken in ihren nationalen Umsetzungsplänen zu schließen und die neuen Ziele schnellstmöglich umzusetzen. Das gilt auch für die Bundesregierung. Sie muss den Verlust der biologischen Vielfalt sektorübergreifend umsetzen und mehr Engagement auf höchster politischer Ebene zeigen.

„Wir haben hier in den letzten Wochen sinkende Ambitionen und festgefahrene Diskussionen erlebt. Der Knoten ist heute geplatzt und die Verhandlungsstaaten haben es geschafft, sich auf ein lückenhaftes, aber letztlich überraschend gutes Rahmenwerk zu einigen. Es kann uns die Möglichkeiten geben, unsere Lebensgrundlagen zu retten – wenn die Vertragsstaaten es denn wollen. In den kommenden Jahren müssen die Staaten den politischen Willen aufbringen, die Schwachstellen in der nationalen Umsetzung zu beheben.“

Florian Titze, Experte für internationale Politik beim WWF Deutschland

Welche Rolle spielt Deutschland?

Klimafinanzierung © Shutterstock / isak55 / WWF
Klimafinanzierung © Shutterstock / isak55 / WWF

Die vereinbarten Ziele müssen verbindlich nachgehalten und auch ausreichend finanziert werden. Dafür müssen international mehr Gelder für Naturschutz bereitgestellt und schädliche Subventionen abgebaut werden – auch in Deutschland und in der EU. Als starke Wirtschaftsmacht mit einem sehr großen ökologischen Fußabdruck haben Deutschland und die Bundesregierung international eine große Verantwortung. Wir fordern, dass sie die Artenkrise endlich ernst nimmt und diese Verantwortung übernimmt. Dazu gehört vor allem, den finanziellen Beitrag zum internationalen Schutz der Artenvielfalt auf mindestens 2 Mrd. Euro im Jahr zu erhöhen.

Das UN-Übereinkommen zur biologischen Vielfalt

Mit der Convention on Biological Diversity – CBD steht ein völkerrechtlich verbindliches Übereinkommen zur Verfügung, das drei Hauptziele verfolgt:

  1. Den Erhalt der Vielfalt von Tier- und Pflanzenarten, Lebensräumen und aller Gene.
  2. Die nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen. Darunter versteht man, Wälder, Flüsse, Meere, wildlebende Tiere und Pflanzen so zu nutzen, dass sie in ihrer Nutzungsfähigkeit nicht abnehmen und somit auch zukünftigen Generationen erhalten bleiben.
  3. Die gerechte Aufteilung der sich aus der Nutzung genetischer Ressourcen ergebenden Gewinne und Vorteile, z.B. bei der Gewinnung und Vermarktung von Naturmedizin aus wildlebenden Arzneipflanzen.

Die Konvention regelt somit die umfassende Berücksichtigung der biologischen Vielfalt in allen Lebens-, Wirtschafts- und Nutzungsbereichen des Menschen im Sinne der Nachhaltigkeit. Politik, Wirtschaftsunternehmen und Verbraucher:innen sind aufgefordert, ihren Beitrag zur Sicherung der biologischen Vielfalt und der Funktionsfähigkeit von Ökosystemen als Lebens- und Wirtschaftsgrundlage aller Menschen zu leisten.

Wackelturm vor dem Bundestag in Berlin

Am 6. Dezember 2022 haben wir die Politik und Öffentlichkeit auf die dringliche Artenkrise und 15. Weltnaturkonferenz aufmerksam gemacht. Mit einem vier Meter hohen Wackelturm aus Bauklötzen haben wir die Zerbrechlichkeit der Natur gezeigt. Je mehr Steine, also Tiere und Pflanzen, verschwinden, desto instabiler wird die Natur. Wir möchten uns herzlich bei allen Teilnehmer:innen unserer Fotoaktion im Sommer 2022 bedanken, deren Natureindrücke die Artenvielfalt auf dem Turm zum Leben erweckt haben.

 

Die fünf Treiber des Artensterbens

  • Landnutzungswandel: Durch immer weiter wachsende Nutzung natürlicher Lebensräume, insbesondere durch großflächige Futtermittelproduktion, Viehzucht und Monokulturen in der Landwirtschaft, werden immer mehr Ökosysteme zerstört – oft in den artenreichsten Gebieten der Erde, wie dem Amazonasregenwald. Tier- und Pflanzenarten verlieren dadurch die Grundlage ihres Fortbestehens. In der Folge kommt es zu Mensch-Tier-Konflikten, die weltweit zunehmen – mit verheerenden Folgen für beide Seiten.
     
  • Übernutzung natürlicher Ressourcen: Wir entnehmen der Erde Jahr für Jahr mehr, als sie an Ressourcen und Ökosystemleistungen wiederherstellen kann. Durch beispielsweise intensive Landwirtschaft, Überfischung der Meere, Entwaldung und umweltschädliche Subventionen werden Ökosysteme und Lebensräume von Tier- und Pflanzenarten zerstört. Unser Wirtschaftssystem kalkuliert die Natur nicht mit ein, ihre Ressourcen werden als unendlich betrachtet und die Kosten ihrer Zerstörung meist ignoriert.
     
  • Umweltverschmutzung: Luft-, Wasser- und Bodenverschmutzung nehmen zu. Treibhausgasemissionen, industrielle Abfallprodukte wie im Bergbau oder in der Landwirtschaft sowie Giftmüll und immer wieder auftretende Ölkatastrophen haben schwerwiegende Auswirkungen auf Land-, Süßwasser und Meeresökosysteme, auf die Wasserqualität und die Atmosphäre. Plastikmüll in den Meeren belastet nicht nur die Artenvielfalt stark, sondern erreicht über die Nahrungskette auch uns Menschen.
     
  • Klimakrise: Die Erderhitzung hat weltweit dramatische Folgen für die biologische Vielfalt. Häufiger und extremer auftretende Naturkatastrophen wie Waldbrände, die Erwärmung der Meere und das Schmelzen der Eiskappen haben dramatische Auswirkungen auf Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräume. Die fortschreitende Zerstörung natürlicher CO2 Speicher wie Wälder und Moore befeuern wiederum die Erderhitzung. Klima- und Artenkrise können deshalb nur gemeinsam bewältigt werden.
     
  • Invasive Arten: Immer mehr Tiere und Pflanzen werden durch den Menschen aus ihrem Verbreitungsgebiet verschleppt – ob bewusst oder unbewusst. Stellenweise kann dadurch die Artenvielfalt zunehmen. Oft haben Neozoen und Neophyten aber negative Auswirkungen.

Fragen und Antworten zur CBD & COP

Wofür steht CBD?

CBD ist die Abkürzung für Convention on Biological Diversity – die UN-Konvention zur Biologischen Vielfalt, also das völkerrechtliche Instrument mit 196 Mitgliedsstaaten.

Wann ist das Übereinkommen in Deutschland in Kraft getreten?

Seit 1992 sind dem Übereinkommen 196 Staaten inklusive der Europäische Union beigetreten. Für die Bundesrepublik Deutschland trat das Übereinkommen am 29. Dezember 1993 völkerrechtlich in Kraft. Alle Unterzeichnerstaaten verpflichten sich mit ihrer Unterschrift, die Bestimmungen der Konvention in nationales Recht zu übertragen und nationale Biodiversitätsstrategien zu erarbeiten. Im November 2007 legte die Bundesregierung ihre Nationale Strategie vor. Damit kam sie erst 14 Jahre nach Unterzeichnung des Übereinkommens ihrer Pflicht der nationalen Umsetzung nach.

Was ist die COP?

COP steht für Conference of the Parties, das sind regelmäßige Konferenzen, bei denen sich die 196 Mitgliedsstaaten (bei der CBD alle 2 Jahre) treffen und das weitere Vorgehen, Strategien oder neue Abkommen innerhalb bzw. „unter“ der CBD verhandeln.

Warum ist der Erhalt der Artenvielfalt so wichtig für uns?

Ohne die Natur können wir nicht leben. Der Verlust von Natur hat große Auswirkungen auf den Menschen – auch wir können es schon spüren. Seit 1998 haben wir allein in Deutschland drei Viertel aller Insekten durch unsere Landwirtschaft verloren. Ein voll gedeckter Frühstückstisch? Undenkbar ohne Insekten! Die biologische Vielfalt ist eine unersetzliche Ressource für uns Menschen. Sie ist nicht nur die Grundlage für unsere Ernährung oder unseren Sauerstoff, sondern auch für lebensrettende Medikamente. Unser heutiger Wohlstand wäre ohne sie nicht möglich. Die Natur ist auch eine wichtige Verbündete im Kampf gegen die menschgemachte Klimakrise.

Das Artensterben – von den großen Säugetieren bis hin zu den kleinsten Organismen – hat dramatische Folgen. Sinnbildlich könnte man die Natur mit einem Bauklötzeturm vergleichen, der in einem perfekten Gleichgewicht steht. Auch wir sind ein Bestandteil des Turmes. Desto mehr Steine entfernt werden, desto instabiler wird der Turm – bis er letztendlich zusammenfällt. Wenn wir das Artensterben nicht aufhalten, verschwinden auch wir. Doch wir sind es auch, die etwas dagegen tun können!

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