Die ausufernde internationale Landwirtschaft, die im großen Maßstab die Märkte in der EU füttert, vernichtet weltweit Wälder und andere wertvolle Ökosysteme. Die Politik muss starke Rechtsgrundlagen schaffen, die die Auswirkungen des Konsums in der Europäischen Union auf die Wälder der Welt drastisch verringern.

EU-Logo (Flagge) © EU

EU-Gesetz gegen Entwaldung kommt!

Nach einer langen Verhandlungsnacht haben sich das Europäische Parlament, die EU-Kommission und der Rat am 6. Dezember 2022  zu einer EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte und Lieferketten geeinigt. „Die EU wird Produkte, die mit der Zerstörung von Wäldern in Zusammenhang stehen, nicht mehr auf dem EU-Markt zulassen", erklärt Susanne Winter, Programmleiterin Wald vom WWF Deutschland. „Diese Verordnung ist die erste weltweit, die gegen globale Entwaldung vorgeht und den ökologischen Fußabdruck der EU erheblich verringern wird. Als großer Handelsblock wird die EU damit nicht nur die Spielregeln innerhalb ihrer Grenzen verändern, sondern auch einen großen Anreiz für andere Länder schaffen, diesen Schritt mitzugehen." 

Der WWF begrüßt insbesondere, dass die EU weitsichtig gehandelt hat und Verantwortung übernimmt: Um auf den EU-Markt zu kommen, reicht es nicht aus, dass die Produkte allein die Standards des Produktionslandes erfüllen. Sie müssen auch nachweisen, entwaldungsfrei zu sein und zu weniger Schäden des Waldes zu führen. Die Verordnung deckt jetzt eine breite Palette von Produkten ab und gilt für Soja, Palmöl, Rindfleisch, wichtige Holz- und Papierprodukte sowie Kaffee, Kakao und Kautschuk. Zudem müssen die Produkte bis zum Ort der Herstellung zurückverfolgbar sein, um Mauscheleien am Anfang der Lieferkette zu verhindern.

Der WWF gibt allerdings zu Bedenken, dass bei wichtigen Punkten dringend nachgebessert werden muss: Die Definition der Waldschädigung ist nicht ehrgeizig genug, es fehlt eine klare Anerkennung der Menschenrechte und andere Ökosysteme wie Buschlandschaften wurden nicht einbezogen.

Europa: Vizeweltmeister der Waldzerstörung

Über 100.000 Tonnen Soja passt in diesen Frachter in Amsterdam © WWF-NL
Über 100.000 Tonnen Soja passt in diesen Frachter in Amsterdam © WWF-NL

Auf diesen zweiten Platz kann die Europäische Union nicht stolz sein: 16 Prozent der globalen Tropenwaldholznutzung und Naturzerstörung gehen auf das Konto der EU – nur China liegt auf dieser Rangliste noch vor der EU.

Haupttreiber für die Waldzerstörung sind die Land- und Forstwirtschaft: Für den Anbau von Tierfutter-Soja oder die Produktion von Palmöl, Holz, Kakao und Kaffee werden in Südamerika und Südostasien Wälder großräumig zerstört und andere Ökosysteme umgewandelt. Und die Holznutzung führt durch die Umwandlung von Naturwald in verarmte Holzplantagen zum Verlust des wichtigen kohlenstoff- und biodiversitätsreichen Waldes.

Die Handelspolitik der EU und der Hunger nach Fleisch und Holz tragen entscheidend zu dieser Waldvernichtungsmaschinerie bei: Was wir konsumieren treibt anderswo die Waldzerstörung voran – importierte Entwaldung und Naturzerstörung nennen wir das.

In Europa führt Deutschland die Rangliste der Waldzerstörer:innen an – unser „Import von Entwaldung“ liegt mit großem Abstand vor Italien und Spanien. Zwischen 2005 und 2017 wurden durchschnittlich jährlich 43.700 Hektar Wald für deutsche Importe vernichtet.

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    Die EU ist für 16 Prozent der globalen Tropenwaldabholzung und Naturzerstörung verantwortlich und überholt damit sogar Indien mit neun und die USA mit sieben Prozent. Weiterlesen ...

Weit mehr als eine Million Menschen fordern starkes EU-Gesetz

Übergabeaktion für entwaldungsfreie Lieferketten der Initiative #Together4Forests © Greenpeace
Übergabeaktion für entwaldungsfreie Lieferketten der Initiative #Together4Forests © Greenpeace

Der WWF setzt sich seit 2020 intensiv für die Schaffung des jetzt vorgelegten Gesetzes gegen Entwaldung und Zerstörung ein: Mit der EU-weiten und vom WWF sowie mehr als 160 weiteren Nichtregierungsorganisationen getragenen Kampagne #Together4Forests konnten mehr als 1,4 Millionen Menschen mobilisiert werden.

Sie alle fordern ein starkes neues EU-Gesetz, das dem Import von Holz- und Agrarrohstoffen samt ihren Produkten aus zerstörerischer Produktion einen Riegel vorschiebt. Mehr noch: Ein Gesetz zum vollständigen Stopp des EU-Beitrags zur globalen Entwaldung und Naturzerstörung.

#Together4Forests ist damit die größte und erfolgreichste EU-Konsultation im Bereich von Umwelt- und Naturschutzfragen. Diese klare Botschaft hat inzwischen auch mehr als 70 Unternehmen überzeugt, sich mit einem „Industry Statement“ ebenfalls an die EU-Kommission zu wenden, um ein Gesetz zum Stopp importierter Entwaldung zu fordern.

Klare Botschaft der Kampagne an die Europäische Kommission: Die EU muss aufhören, Teil des Problems zu sein, sie muss Teil der Lösung werden.

Hintergrundinformationen zur EU-Gesetzgebung:

Entscheidung im Trilog

In der Europäischen Union bestehen drei Legislativorgane: Die Kommission, der Rat und das Parlament. Im sogenannten Trilog verhandeln alle drei Organe über ihre entsprechenden Positionen zu einem Gesetzentwurf. Zum geplanten Gesetz zum Stopp des EU-Beitrags zur globalen Entwaldung sind die Positionen inzwischen bekannt. Haben die beteiligten Legislativorgane sich auf einen Kompromisstext geeinigt, muss das Ergebnis noch gebilligt werden, bspw. durch eine Abstimmung im EU-Parlament.

Die Kommission

Den Startschuss gab die Europäische Kommission. Diese forderte mit ihrem Gesetzesvorschlag am 17.11.2021 neue Regeln zum Stopp der von der EU verantworteten globalen Entwaldung. Würden diese Regeln in die neue EU-Gesetzgebung einfließen, wäre das ein großer Schritt in Richtung Waldschutz. 

Der (Umwelt-)Rat

Rückschritt: Den ambitionierten Vorschlag der EU-Kommission schwächte am 28.06.2022 der EU-Umweltrat ab und legte einen eigenen Vorschlag vor.

Das EU-Parlament

Erneute Stärkung: Am 13.09.2022 legte das EU-Parlament mit ihrer Beschlussfassung nach, indem es der Vorlage der Europäischen Kommission in wesentlichen Punkten folgte und erweiterte und ihren Vorschlag des Gesetzestextes verabschiedete.

Die Position des WWF zu Kommission und Parlament:

  • Das Land der indigenen ist von Brandrodung bedroht © Andre Dib / WWF-Brazil WWF-Schnellanalyse: Zum Entwurf der EU-Kommission

    Der WWF begrüßt den neuen Verordnungsentwurf, sieht aber noch Schwächen, die die Bemühungen zum Schutz der Wälder und der im Falle von Verlagerungseffekten betroffenen weiteren Ökosysteme empfindlich ausbremsen könnten. PDF herunterladen...

  • Sojabohnenplantage am BR-364 highway, Rondônia © Marizilda Cruppe / WWF-UK EU-Parlament stimmt für mehr Waldschutz

    Die Abstimmung im EU-Parlament zum EU-Waldschutzgesetz sendet eine Botschaft der Hoffnung: Hoffnung auf ein Gesetz, das wirkliche Veränderungen bringen kann Weiterlesen...

Wald ist nicht gleich Wald!

Eine Straße trennt Regenwald von einem Sojafeld im Cerrado, Brasilien © Adriano Gambarini / WWF-Brazil
Eine Straße trennt Regenwald von einem Sojafeld im Cerrado, Brasilien © Adriano Gambarini / WWF-Brazil

Die EU hat heftig debattiert, wie weit ihr neues Waldschutzgesetz gehen soll. Sollen nur Primärwälder davor geschützt werden, in Ackerflächen umgewandelt zu werden? Was ist mit „sonstigen bewaldete Flächen“, wie sie in der angrenzenden Cerrado-Savanne vorkommen? Mehr als die Hälfte der artenreichsten Savanne der Welt wurden schon zerstört. Für Soja, dass dann unter anderem in die EU importiert wird.

Unser Fußabdruck trifft nicht nur den dichten Wald. Vor allem unser Soja-Import bedroht lichte Wald-Graslandschaften und Ökosysteme wie den Cerrado. Dort findet sich zu 56 Prozent Buschland, nur 26 Prozent des Cerrado sind Wald nach internationaler Definition. Diese anderen Gebiete (other wooded lands) hat die EU nach langen Verhandlungen bei ihrer Entscheidung für ein EU-Waldschutz-Gesetz am 06.12.2022 außen vor gelassen – einige Mitgliedsstaaten hatten dagegen gestimmt. Mit fatalen Folgen: Statt insgesamt 82 Prozent der Fläche des Cerrado würden nur 26 Prozent der Fläche geschützt. Doch es bleibt ein Hoffnungsschimmer: In zwölf Monaten soll diese Entscheidung nachverhandelt werden. Bei weiteren Ökosystemen, wie Feuchtgebieten, will sich die EU noch mehr Zeit lassen und erst untersuchen, welche Folgen die Aufnahme anderer Ökosysteme in die Verordnung hätte und wie sich das umsetzen ließe. Erst in zwei Jahren soll hierzu neu verhandelt werden.

Für die Europäische Union ist der Cerrado mit einem Großteil seiner Fläche der wichtigste Soja-Lieferant. Soja, das vor allem als Futtermittel in der Fleischproduktion Verwendung findet. Soja ist zudem der Rohstoff mit dem größten Anteil an der Abholzung tropischer Wälder, der in die EU eingeführt wird. Im Jahr 2018 stammten 23 Prozent der Einfuhren der EU aus Südamerika aus dem Cerrado. Ganze 70 Prozent des in die EU importierten Sojas, das mit Naturzerstörung in Verbindung gebracht wird, konzentrierte sich auf diese Region. Allein im August 2021 gingen im Cerrado 433 Quadratkilometer natürlicher Vegetation verloren – ein Anstieg von 136 Prozent gegenüber dem gleichen Monat in 2020.

Was muss an der EU-Verordnung dringend nachgebessert werden?

  • Andere Ökosysteme wie other wooded lands – also andere waldähnliche Flächen wie Savannen – wurden (außer vom Parlament) nicht unterstützt, obwohl viele dieser Flächen bereits durch die Umwandlung in landwirtschaftliche Nutzflächen stark unter Druck stehen. Starke weitere Verlagerungseffekte sind programmiert. Landschaften wie beispielsweise der Cerrado erfahren dadurch stärkere Belastungen.
  • Leider ist die Definition von Waldschädigung nicht ehrgeizig genug. Sie befasst sich nicht mit der Verschlechterung innerhalb eines bestehenden Waldes, sondern mit der Umwandlung eines Primärwaldes oder eines sich natürlich regenerierenden Waldes in eine Forstplantage.
  • Es fehlt eine klare Anerkennung der Menschenrechte, insbesondere der Rechte indigener Völker und lokaler Gemeinschaften. Konkret fehlt ein Verweis auf einschlägige internationale Konventionen. Der derzeitige Text beschränkt den Geltungsbereich der Menschenrechte auf nationale Gesetze: Das bedeutet, dass bestimmte Rechte indigener Völker oder lokaler Gemeinschaften, die in den nationalen Gesetzen nicht berücksichtigt sind, auch nicht durch das EU-Recht geschützt werden.

„Wir brauchen ein kompromisslos starkes Wald- und Ökosystemschutzgesetz ohne Schlupflöcher.“

WWF-Vorstand Christoph Heinrich

Eine WWF-Studie zeigt: Eine wirksame EU-Verordnung gegen die Zerstörung natürlicher Lebensräume durch Konsum braucht einen Dreiklang aus einer umfassenden Liste an betroffenen Produkten, Verpflichtungen der Unternehmen sowie Kontrollmöglichkeiten um die letzten natürlichen Lebensräume unserer Welt für und vor uns zu retten. Die finanziellen und humanitären Vorteile dieses Bemühens (Naturleistung für den Menschen) sind ungleich größer als der kurzfristige gewinnorientierte Vorteil durch Zerstörung dieser Lebensraummosaike.

  • Elefanten im Kui Buri-Nationalpark © Wayuphong Jitvijak / WWF Thailand WWF-Studie: Mehr als Wald

    Warum eine neue EU-Verordnung neben den Wäldern das gesamte Mosaik der Lebensräume schützen muss PDF herunterladen...

  • Palmöl-Plantage aus der Luft © Aaron Gekoski / WWF US WWF-Entwaldungs-Scorecard deutscher Unternehmen

    Der WWF hat untersucht, wie deutsche Unternehmen mit Entwaldung, Naturzerstörung und Menschenrechten umgehen. Dabei analysiert die WWF-Entwaldungs-Scorecard erstmals parallel mehrere Risikorohstoffe. Weiterlesen...

Forderungen der Zivilgesellschaft

In einem offenen Brief an Mitglieder der EU-Kommission, des EU-Parlaments und des EU-Rats forden 141 Organissationen ein wirksames EU-Gesetz zum Stopp von Entwaldung und Naturzerstörung. Dazu zählt unter anderem die Aufnahme von einer umfassenden Liste von Produkten mit hohem Entwaldungsrisiko. Aber auch die Ausweitung des Schutzes auf andere natürliche Ökosysteme ist Teil der Forderungen. „Wir brauchen dieses Gesetz dringend und wir brauchen es in einer ambitionierten und wirksamen Version. Momentan verschwindet alle 90 Sekunden allein für EU-Importe eine Waldfläche in der Größe eines Fußballfeldes“, sagt Susanne Winter, Programmleiterin Wald beim WWF Deutschland.

  • Der Lieblingsort von Dr. Ingolf Stodian mitten in den Alten Buchenwäldern. © Ingolf Stodian Offener Brief von über 140 NGOs zur geplanten EU-Verordnung

    Wir, die unterzeichnenden Organisationen, fordern Sie auf, die schnelle Verabschiedung einer starken und ehrgeizigen EU-Verordnung über entwaldungsfreie Produkte zu gewährleisten. PDF herunterladen...

Was Sie jetzt tun können:

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